F R E I M A U R E R E I – eine Kurzfassung

Was will die Freimaurerei eigentlich, dieser mysteriöse Geheimbund, der die Fantasie
der Allgemeinheit immer wieder mit Neugier, Skepsis und sogar Ablehnung beschäftigt?
Die Engländer, von denen sich die heutige Form der Freimaurerei seit dem 18. Jahrhundert
ableitet, sagen: „To make good men better“.
So einfach ist das? Aus guten Männern bessere machen? Heute kommen nun endlich
auch die Frauen in der Freimaurerei dazu!
Das kann doch auch jeder Sportverein, jeder ethische Club, jede soziale Einrichtung,
jede Hilfsgemeinschaft. Das will außerdem auch unsere Staatsverfassung, deren
Präambel von uns fordert, dass die Würde des Menschen unantastbar sei.
Die Freimaurerei hat all das mit anderen Lebensentwürfen zur Förderung von
Mitmenschlichkeit,
auch den Religionen, gemein, geht aber dennoch einen eigenen Weg.
Zunächst kann nur Freimaurer werden, der einen Bürgen vorweisen kann, denn
dieser „bürgt“ für den guten Ruf desjenigen, der bei anhaltendem Interesse
ein sogenannter „Suchender“ wird. Das setzt schon eine bessere gegenseitige
Kenntnis voraus als ein bloßes flüchtiges Kennenlernen. Sollte für den Suchenden ein
Bürge aus eigenem perönlichen Umfeld fehlen, benennt die Loge einen Bruder mit dieser
Aufgabe. Die Bürgschaft dauert über die Aufnahme hinaus bis in den Meistergrad des
neugewonnenen Logenmitglieds – es ist also ein überaus verantwortungsvolles Verhältnis
auf Gegenseitigkeit.
Warum diese Vorstufen, bevor überhaupt die Aufnahme in eine Freimaurerloge vollzogen
werden kann? Etwa aus Misstrauen? Nein, aus Sorgfalt und Verantwortung für
den interessierten Herrn, der nämlich eine Eignung für unseren Bruderbund erkennen
lassen muss. Er sollte die grundsätzliche Bereitschaft zu gegenseitigem Vertrauen
mitbringen, sich als Mensch zu öffnen, der aus Respekt und Hinwendung vor anderen
Persönlichkeiten auf der Grundlage der Achtung anderer Biografien, anderer Überzeugungen,
Meinungen, Neigungen – unabhängig vom sozialen Stand, von kultureller
Zugehörigkeit und möglichen Glaubensbekundungen – offen zu sein und den eigenen
geistigen oder emotionalen Horizont zu erweitern, damit er sich selbst aus solch erweiterten
Einsichten in die Weltengemeinschaft bewusster einordnen kann.
Das ist ein langer Weg und wird niemals enden, denn er beginnt mit der Aufforderung:
„Erkenne dich selbst!“
Nicht umsonst steht diese schier endlose Aufforderung am Anfang des freimaurerischen
Weges und endet erst, wenn wir die irdische Laufbahn unseres Lebens verlassen.
Und das unterscheidet uns von den gutwilligen Serviceclubs, nämlich die Erforschung
nach uns selbst, um eine unbestechliche Klarheit über uns zu gewinnen, damit wir im
Umgang mit unserer Umwelt bzw. Mitwelt besser verstehen können, wie wir ein Miteinander
in gegenseitiger Harmonie gestalten, das dem Anderen die gleichen Rechte
zubilligt, seinen Lebensentwurf zu verwirklichen – immer im Bemühen, die
Selbstverwirklichung
nicht auf Kosten anderer zu betreiben.
– 1 –
Welch gigantischer Anspruch, welch eine Utopie! Wir Freimaurer wissen von unserer
eigenen menschlichen Unvollkommenheit und dem damit verbundenen Scheitern an
einer solchen Verwirklichung. Aber wir machen uns dennoch auf den Weg, deren Ziel
wir nie erreichen. Wir nennen es in unserem symbolischen Sprachgebrauch:
„Wir arbeiten am rauen Stein!“ – Der raue Stein ist der Mensch!
Unsere Symbolsprache leitet sich aus den mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften
ab, die in ihren Dombauhütten, beim Errichten der gewaltigen Kathedralen, ihre
Werkzeuge nicht nur zur Ausübung ihrer Arbeiten benutzten, sondern als Symbole
ihrer bruderschaftlichen Bauhütten-Versammlungen verstanden und in einem für alle
verbindlichen Ritual zum Ausdruck brachten. Das ging weit über das rein Handwerkliche
bzw. eine Handwerksordnung wie einer Zunft hinaus.
Sie überlebte nach ihrer zunehmenden Auflösung der Bauhütten seit der Renaissance
vor allem in England als ein vergeistigt-ethisches Erbe für die dortigen Logen und
später für die nachfolgenden Logen weltweit.
Kurz zur Geschichte der Freimaurerei: Die Renaissance sagte der christlichen
Weltordnung als alleingültige Lebensanweisung den Kampf an und stellte den
Menschen sowie die einhergehenden naturwissenschaftlichen Entdeckungen
in den Mittelpunkt.
Der Einfluss der Kirche ging also zurück und damit auch zusehends der Auftraggeber
für die Dombauhütten, die sich folglich im Kontinentaleuropa mehr und mehr auflösten
– jedoch nicht so in England, wo die anglikanische Kirche ihre Eigenständigkeit
bewahren konnte und die Steinmetzbruderschaften, sprich „Freestone-Mason“ gleich
„Freimaurer“, weiterhin ihr unabhängiges Brauchtum in ihren Bauhütten, sprich „lodge“
gleich „Loge“ , aufrecht erhielten. Sie verwandelten sich allerdings von der „operativen“
Maurerei in eine „spekulative“, d.h. vom direkt handwerklichen Bezug am realen Bau
mit den symbolträchtigen Werkzeugen in der Gemeinschaft der Freimaurer erweiterten
sie sich in eine symbolhafte Übertragung der Werkzeuge ins Philosophisch-Ethische.
Das zog auch Nichtfreimaurer an, die gleichfalls fasziniert waren von dem legendenhaften
Brauchtum der Bauhütten einerseits und der Öffnung zu neuen bahnbrechenden
Gedanken andererseits. Ihnen wurde Zug um Zug Einlass in die Steinmetz-Bruderschaft
gewährt und galten als sogenannte „angenommene Maurer“.
Wesentlich beteiligt an der Ausformung der „modernen Freimaurerei“, wie sie sich
nun verstand, waren die geistigen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen
jener Epoche der „Aufklärung“, zu denen Freimaurer wie beispielsweise Diderot und
Voltaire in Frankreich sowie Lessing und Herder in Deutschland, um nur einige zu
nennen, der „Aufklärung“ ihre gegenseitigen richtungsweisenden Impulse verliehen.
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ als Fanal für eine neue bürgerliche Gesellschaft
nach der Erstürmung der Bastille 1789 sowie der Ruf nach „Toleranz und Humanität“
fanden Eingang ins Gedankengut – in den Wertekanon – der Freimaurerei, wobei die
großen Naturwissenschaftler wie Elias Ashmole als einer der größten Gelehrten Englands
im 17. Jahrhundert – der wahrscheinlich älteste „spekulative“ Freimaurer – sowie
Anthony Sayer 1717 als erster Großmeister der Großloge von London und Westminster
den Boden bereits fruchtbar vorbereitet hatten.
– 2 –
1723, dieses Datum ist nun in der Tat wichtig, veröffentlichte die Großloge die sog.
„Alten Pflichten“, ein Dokumentenwerk alter Bauhütten-Überlieferungen und ein
verpflichtender
Verhaltenskodex im brüderlichen Umgang als Freimaurer und Logenmitglied
und seiner Solidar-Beziehung zum Staat. Diese „Constitutions“ gelten bis auf
den heutigen Tag wie ein „Grundgesetz“ für alle Freimaurer weltweit.
Kehren wir zurück zur Gegenwart. Ist ein Freimaurer ein besserer Mensch?
Diese Frage weckt völlig falsche Erwartungen. Ich würde sagen, er ist ein
Mensch mit einem geschärften, einem prüfenden Bewusstsein gegenüber sich
selbst – siehe die Forderung nach „Selbsterkenntnis“. Die Bemühung um einen
harmonisierenden
Ausgleich individueller Ansprüche und mitmenschlichem, gesellschaftlichem
Gemeinwohl, steht im Mittelpunkt, ebenfalls die Bereitschaft zur Weiterbildung
mit dem Ziel, notwendige Zusammenhänge für eine verbesserte Welt zu verstehen – wir
sagen auch: durch unseren brüderlichen Beitrag die Welt ein wenig besser machen,
und ganz pauschal gesprochen den Sinn des Lebens zu erforschen – gerade gegenüber
Letzterem mag das Ritual mit seinen Symbolen behilflich sein. Aus diesem ständigen
Suchen nach Weisheit, Stärke und Schönheit einer Lebensschule wie der Freimaurerei
ergibt sich aber auch unsere Freude an gemeinsamer Geselligkeit, an fröhlichen Festen
und der Dankbarkeit gegenüber dem Freundschaftsbund, der als Krone dieser
Solidargemeinschft
erwachsen kann.
Ferner tragen die Verehrung der Natur, Wissenschaft und Kunst zu erheblicher
Wahrnehmung
unserer Vervollkommnung bei. Musik wirkt z.B. nicht nur in feierlichen
Tempelarbeiten als Impuls zu seelischer Entfaltung, sondern in der Ausgestaltung
diverser freimaurerischer Veranstaltungen. Bruder Wolfgang Amadeus gelang es wie
kaum einem anderen Komponisten, Freimaurerei und Musik in Einklang zu bringen.
Seine „Freimaurerische Trauermusik“, seine Oper „Die Zauberflöte“ und sein letztes
Werk „Eine kleine Freimaurerkantate“ – einige Wochen vor seinem Tod komponiert
und seiner Loge in Wien gewidmet – zeugen von der unübertroffenen Meisterschaft,
Freimaurerei in Musik lebendig werden zu lassen.
Und wie erlebe ich dieses Kaleidoskop an Entdeckungen, die ich überwiegend
in der Freimaurerei erfahren konnte? Hat es mein Leben beeinflusst oder gar
verändert? Es hat mein Bewusstsein sinnstiftend geprägt.
Die Kette der Bruderschaft hat mir die Gewissheit einer Solidarität vermittelt, die mir
trotz mancher persönlichen Kontroversen gerade in meinen schweren Stunden Halt
und Zuversicht gewährte und mir die Sehnsucht nach meinen Brüdern beförderte.
Mir erscheint die wunderbare Botschaft von der „Freimaurerei – eine Königliche Kunst“
wie eine Schule des Lebens, die mich Dankbarkeit gelehrt hat angesichts der beständigen
Bruderliebe, die ich über meine Loge hinaus empfangen durfte.
Sie wird mich bis an mein Grab begleiten.
Und das ist wahrlich mehr als genug. –

Hartwig Kloevekorn
Loge „Ferdinand zum Felsen“

 

Beitrag als PDF-Datei herunterladen

Teilen Sie gerne diesen Beitrag mit Ihren Bekannten und Freunden.